Meine Zeit mit Philip Treacy, Teil I

Markus Ehrhard mit Philip Treacy in Paris im Januar 2003
Philip Treacy mit Markus Ehrhard, Paris 2003

"Deine Arbeit ist anders. Du hast Eleganz. Es selten einen Designer zu finden, der Eleganz besitzt" sagte Hut-Designer Philip Treacy zu meinen Arbeitsproben und meinem Lookbook.

 

Während meines Modedesign Studiums an der FH in Trier nahm ich die Fotos von Philips spektakulären Modeschauen zur Vorlage im Fach Illustration. Ich kannte jedes einzelne seiner Modelle inside-out. Später saß ich im Londoner Office in der Elizabeth Street zwischen all diesen unglaublichen Kreationen. Ich begann meine Assistenz in seinem Studio kurz nach seiner Tiffany-Show, bei der die legendäre Grace Jones auf dem Dach einer Limousine tanzte.

Mit nur einem Koffer bin ich damals nach London und lebte zunächst in einem Hotel, mit Flöhen im Bett. Innerhalb kurzer Zeit fand ich dann ein Zimmer in einer WG in Wandsworth/Clapham. Ich wohnte bei einem katholischen Priester, seinem Freund und einem schottischen Skinhead in einem verwinkelten Haus in der Alma Road. Meine Miete wurde wöchentlich abgerechnet und das Zusammenleben war, sagen wir mal, interessant.

 

Meine erste berufliche Aufgabe war eine Taschen-Kollektion unter dem Namen Philip Treacy für Marks & Spencer Autograph, einer eigenen Linie unter der alle namhaften Designer Großbritanniens kleine Kollektionen bereitstellten.

Für diese Kollektion, die innerhalb von zwei Wochen stehen musste, habe ich eine Fülle an Zeichnungen von Taschen in Perspektivansicht angefertigt. Nur leider verstand Philip nicht meine Zeichnungen, geschweige denn mein Englisch. Und so baute ich während eines Wochenendes insgesamt 16 Modelle aus Papier, so wie die Vogelformen in meinem zweiten Semester.

 

Montag morgens habe ich dann in einem Taxi Philip abgeholt und wir sind zu den Menschen von Marks & Spencer in die Baker Street. Im Wagen schaute sich Philip die Papiermodelle an und war begeistert. Auch M&S waren begeistert, so dass entschieden wurde, alle Modelle anstatt nur die zuerst vorgesehenen Vier zu mustern. Über das dreidimensionale Arbeiten verstanden Philip und ich uns wortlos.

Alle drei Monate kamen dann neue Modelle in die Shops und wir hatten zudem auch einen Auftrag von Marks & Spencer Mainline für weitere Kollektionen erhalten. Ich betreute diese Kollektionen für insgesamt drei Jahre.

 

Unser Bestseller war eine lange, schmale und schwarze Clutch aus Duchesse, die innen fuchsiafarben gefüttert war. Dieses Modell ist zwischen Tür und Angel entstanden: Eine Mitarbeiterin von M&S rief mich an und meinte, sie brauchen kurzfristig ein neues Modell, der Kurier zum Abholen sei schon unterwegs zu uns. Ich schnitt und klebte schnell etwas zusammen, tackerte Materialproben an und machte noch Fotokopien vom Schnitt. In Anwesenheit des Kuriers gab Philip sein Approvement und drei Wochen später stand diese Tasche in allen Filialen und verkaufte sich bestens.

Ich betreute, neben diesen Kollektionen, dann auch unsere hauseigene Taschenlinie und modifizierte zunächst Philips Modelle. Als die Muster von unserem italienischen Hersteller zur London Fashion eintrafen, gab es große Schelte vom Meister, denn ich hatte bei einer Tasche in die Nähte Nerzbänder einarbeiten lassen. Diese waren Philip viel zu voluminös und dominant. Ohne seine Zustimmung präsentierten wir sie trotzdem auf der Messe. Kaum ausgepackt, besuchte uns Joan Collins am Stand und sie liebte genau diese Tasche. Als Bonus für ihre Bestellung fertigte ich ihr eine Schlafbrille aus Nerz. Nach der Fashion Week stellte sich heraus, dass diese Tasche mit Abstand unser Bestseller war.

Es war immer was los im Studio: Entweder war Ascot, Harrods brauchte eine Exklusiv-Kollektion, oder für eine Show von Alexander McQueen fertigten wir Hüte mit Vogelkrallen und den längsten Strauß Federn. Louis Vuitton brauchten Pelzmützen, Burberry irgendwelche Drucke, oder wir mussten schnell unsere Couture Modelle aus dem Geschäft holen, weil Elton John sich angemeldet hatte. Denn er kaufte gerne alles was nicht niet- und nagelfest war.

 

Doch eines Abends kam Philip zu mir an den Tisch, stellte mir eine Kiste mit ausgestopften Vögeln hin und sagte: "Beeindrucke mich mit einem "Veiling Hat" (Schleierhut)! Du bist in Paris zur Couture dabei." Mein Traum wurde wahr. Tag und Nacht schufen wir die elegantesten Kreationen. Ich lernte, was es heißt Haute Couture zu arbeiten, selbst das Fertigen an sich wurde stilisiert. Ich puderte mir manisch immer die Hände weiß, um keine Spuren am hellen Kopfschmuck zu hinterlassen. Aufgrund meiner handwerklichen Ausbildung in Deutschland war ich qualifiziert Haute Couture in Paris arbeiten "zu dürfen".

Im Lutecia Hotel in Paris war unser Atelier aufgebaut und wir begannen, drei Tage vor der Show, die vorbereiteten Einzelteile zusammen zu setzen. Dort stellte Isabella Blow das Styling mit den Kleidern verschiedener Couture-Häuser zusammen, Mr. Pearl saß neben mir an seiner Nähmaschine und schneiderte Korsagen für unsere Outfits, Annie Leibovitz und Anna Wintour besuchten uns und das Model-Casting lief. Ich hatte die von mir betreuten Kreationen bis auf Kleinigkeiten soweit fertig und Philip fragte mich, welches Modell ich darin sehe. Ich fand damals Alec Wek cool. Am Abend vor der Show rief mich Philip zu sich und er hatte Alec an der Hand und ich durfte nicht nur mein Fitting mit dem Paradise Veiling Hat und einem Chiffon-Kleid von Chanel mit ihr machen, sondern sie sogar für die Show buchen.

 

Diese "Severe Beauty - Show" war eine von insgesamt drei Couture Schauen für die ich zusammen mit Philip gearbeitet habe. Ich muss sagen, es war die eleganteste und schönste Show.  Ich war sehr stolz, dass auch meine Mum bei diesem Defilée als Gast dabei war. 2003 folgte dann eine weitere Philip Treacy Show und eine für Valentino Couture.

Markus Ehrhard wurde 2001 in Paris mit Alec Wek von Philip Treacy fotografiert.
Markus Ehrhard und Alec Wek, fotografiert von Philip Treacy, Paris Juli 2001.

Geschrieben hat

der

Markus

Kommentare: 0