VÖLLEREI

Die Völlerei definiert sich durch eine für längere Zeit über den Bedarf liegende Zufuhr an Nahrung die die Grenzen des realen Bedürfnisses übersteigt. Antrieb ist nicht der kultivierte Genuss, sondern die zügellose und enthemmte Gier. Es findet eine Autostimulation in Mund und Bauch durch übersteigertes Verschlingen von Nahrung statt. Der Prozess verläuft als Sucht, die durch die Maßlosigkeit keine Befriedigung findet. Die Sucht definiert sich als permanentes Essen und Verschlingen ohne die Abhängigkeit äußerer Essreize. Es gibt kein Gefühl von Hunger und kein Gefühl der Sättigung. Die sichtbare Konsequenz ist die Ansammlung von Körperfett, die ästhetische Störfaktoren mit negativer sozialer Wertung sind. Der Körper gerät aus der Form, da keine Selbstkontrolle über ausgeführt werden kann. Es handelt sich um ein exzessives Ausleben von Körperlichkeit.

Das Grundmittel der Bekleidungsgestaltung im Entwurf ist eine übermäßige virtuelle Betonung der von Fettansammlung betroffenen Körperstellen. Polsterungen aus voluminösen Fuchsfellen werden auf den Körper gepackt und verändern die natürliche Silhouette. Um die eigentliche Erscheinungsform zu deformieren, werden großzügige transparente Hüllen angezogen, die in der Form eines zweiten fleischigen Körpers konstruiert sind. In den Stoff eingezogene Gummibänder, die der Ausdehnung des Körper nachgeben, bringen die gewohnte Silhouette aus der Form und dekonstruieren die Körpererscheinung. Extreme Raffungen und exzessive Falten erzeugen unkontrollierte und überproportionale Wucherungen. Durch die Drapierung werden Bauchfalten, Hautverwerfungen und Fettwalzen simuliert, die der natürlichen Bewegung anpassen.

Die Völlerei stellt sich in einem schmalen bodenlangen Kleid dar. Im unteren Bereich des seitlich geschlitzten Kleides verläuft der Fadenlauf gerade. In der Hüfte wird der Schnitt in der Waagerechten um 45 Grad aufgedreht, so dass der Fadenlauf im Oberteil schräg ist und somit der Form und Bewegung des Körpers nachgibt. Der ausfallende Betrag in der Hüfte wird aufgefüllt und eine übermäßige Falte wird seitlich angelegt. Auf diese Drapierung beziehend befindet sich auch im linken Träger eine Falte, die über die Schulter dann im geraden Fadenlauf gezogen wird. Der 60 cm lange Nahtreissverschluss befindet sich in der linken Seitennaht. Das Material ist ein fließender Crêpe Maroccain aus Seide. Stilmittel der Völlerei sind künstliche Prothesen, die zum Teil im Kleid integriert sind. Virtuelle Handgelenke, Füsse und ein Kopf sind in einer formgebenden Technik aus einer transparenten Kunststofffolie gearbeitet. Eine Bauchprothese kann in die Hüfte eingesetzt werden, um die Silhouette des Körpers aus dem Gleichgewicht zu bringen. 

Kontent und Fotos: Copyright bei Markus Ehrhard