Die Sieben ToDsünden - die Diplomarbeit von Markus Ehrhard

Die Sieben Todsünden sind ein altes überliefertes Konzept welches seinen Ursprung in christlicher Weltanschauung findet. Eine der ältesten Formen findet sich in "Über die acht Gedanken des Wüstenvaters Evagrios Pontikos".

 

Erstmals wurden die Sieben Todsünden im Katechismus geordnet aufgelistet, nachdem sie zuvor als verwerfliche Handlungen im Alten Testament behandelt wurden. Der Begriff der Todsünden ist von seinem ursprünglichen Gedanken lediglich eine hauptsächliche Fehlhaltung im menschlichen Zusammenleben.

 

Dante Aligheri (1265-1321) behandelte die Sieben Todsünden im "Fegefeuer" seiner um 1300 entstandenen "Göttlichen Komödie". Erstmals werden den Fehlhaltungen entsprechende Tugenden gegenübergestellt. Diese Vorstellung, dass der Todsünde eine Tugend entgegenwirkt griff auch Geoffrey Chaucer (ca.1340-1400) in den "Canterbury Tales" auf.

 

Hieronimus Bosch (1450-1516) verbildlichte die Sieben Todsünden im "Tisch der Weisheiten". Er stellte die Fehlhaltungen in ihren sozialen Bezügen in einem Lebensrad dar und kritisierte dadurch gesellschaftliche Mißstände. Diese Art von Lehrbildern treten auch buddhistischen Mandalas auf, die neben einer Weisung auch zur Meditation dienen. 

 

Die Symbolik der Zahl bezieht sich auf ein grundlegendes Schema. Die Zahl Sieben tritt immer wieder als kehrendes Motiv auf, um sich Form einer Weisung oder Führung darzustellen. So präsentieren sich die "Die Sieben Weisen" als griechische Staatsregierung, sowie die "Sieben Freien Künste" eines freien Mannes würdigen Kentnisse, "Die Sieben Weltwunder" und der Ort der letzten Verklärung bei den Muslimen, dem "Siebten Himmel". Die Zahl Sieben ist nach altem Volksglauben nach eine glücks- oder unheilbringende Zahl. Auch die "Sieben Sachen" zeigen eine Habseligkeit bzw. eine Habe, die als Synonym für den Bedarf des täglichen Lebens zu verstehen ist. Und in Märchen, welche immer mit einer Lehre verbunden sind, tritt häufig die Zahl Sieben auf. Zum Beispiel in "Schneewittchen und die Sieben Zwerge" oder "Der Wolf und die Sieben Geißlein". In "Die Sieben Raben" der Gebrüder Grimm verwünschen Eltern ihre sieben Söhne wegen Unart und Nachlässigkeit zu Raben.

 

Im Laufe der Zeit änderten sich die Bezeichnungen sowie die Reihenfolge der Sieben Todsünden. Begriffe wie Geiz, Eitelkeit und Trauer wurden anstelle von Habsucht und Stolz als verwerfliche Todsünde beschrieben. Ebenso variierten die Bezeichnungen. Die Faulheit wurde als Trägheit , Stolz als Hochmut, Zorn als Hass, Völlerei als Esslust oder auch als Maßlosigkeit bezeichnet. Die Unzucht wurde als Wolllust oder auch als Lust bezeichnet, Habsucht als Gier und Neid als Eifersucht betitelt. Es gab selten eine Begründung der Reihenfolge der Todsünden. Im späten Mittelalter wurde die Reihenfolge von den existentiellen Bedürfnissen bestimmt. So stand die Völlerei zum Beispiel an erster Stelle. 

 

In meiner Diplomarbeit beziehe ich mich auf die Betitelungen und Abfolge von Bertolt Brechts "Die Sieben Todsünden der Kleinbürger". Die Uraufführung des Balletts war 1933 in Paris, die Musik dazu schrieb Kurt Weil.

 

 

Die traditionelle Idee der Sieben Todsünden ist das Aufzeigen von Fehlhaltungen als Ursprung menschlichen Leids, um diese als Weisung für ein besseres Leben zu verstehen. Sie wurden als Wurzel menschlicher Leidenschaften bis hin zum Laster verstanden. Sie spiegeln sieben Facetten menschlicher Schwächen und Emotionen wieder. in unserer Zeit, kurz vor der Jahrtausendwende, bedarf es keines moralischen Zeigefingers und auch keiner Religion um auf diese Fehlhaltungen aufmerksam zu machen. Gesellschaftliche Auswüchse und Dekandenzen wie Ausländerfeindlichkeit, Gewalt, Konsumsucht und Pornographie sind klar erkennbar. 

 

Das Ziel der Diplomarbeit ist nicht die Sieben Todsünden als Monstrum darzustellen, oder sie gar zu entmystifizieren, vielmehr sollen die entwickelten Kleidungstücke und Accessoires Impuls sein um sieben Lebesnaspekte eigenständig zu entwickeln. Die Bekleidung soll keinen Anreiz zu Übertreibungen geben, sonder soll der Trägerin die Möglichkeit geben sich auf die Eigenlichkeit zu konzentrieren. Eine mentale Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und dem eigenen Bewusstsein ist gefordert, ohne sich elbst im Sinne der Sünde zu kasteien oder asketische Gesichtspunkte anzusetzen.

 

Die Bekleidung soll keine Weisung gegen Fehlhaltungen sein, sonder eine positive Konstruktion menschlicher Form und Verhaltensweisen zu ermöglichen. Die Sieben Todsünden sollen zur Selbstbeherrschung und der eigenen Verantwortung anreizen. Dabei sollte jedoch keine Enthaltsamkeit ausgeführt werden. Die Bekleidung soll der Trägerin ihre Autonomie zurückgeben, sie soll nach eigener Selbstverständlichkeit handeln und ihre eigene Souveränität bestimmen. So ist zum Beispiel nicht die Frage nach dem Sinn des Habens, sondern die Frage nach dem Sinn des Seins über die Bekleidung zu stellen. Über die Idee der Sieben Todsünden wird die Trägerin direkt auf emotionaler Ebene angesprochen. Sinn der Kleider mit skulpturalen Elementen ist nicht nur Körperlichkeit, sondern auch das eigene Bewusstsein und Geistigkeit soll in die Bekleidung fließen.

 

In der Reflexion, wenn die Frau ihr körperliches Spiegelbild sieht, soll sie eigenes Gefühlsleben erkennen und annehmen. In dieser Offenbarung erfährt sie eigene Stärken und Schwächen. Um die Identifikation der Trägerin und um einen Bezug zur leiblichen Existenz zu ermöglichen, werden vorwiegend mit verschieden getönten Hautfarben gearbeitet. Die blassen bis fleischigen Farben sind auch bei Licht- und Schattenspielen in der Bekleidung integrierten Skulpturen von großer Bedeutung. Als Kontrast, um der Eintönigkeit entgegenzuwirken, tritt ein fahler Grünton als Akzentuierung auf.

 

Das verwendete Material besteht hauptsächlichen aus tierischen Produkten. So finden neben Woll- und Seidenstoffen, Lammleder, verschiedene Pelze und Federn sowie Stachelschweinspitzen ihren Einsatz. Die Ausnahme bilden eine transparente Kunststofffolie, Vlies und Kohlenfaserstäbe, um die technischen Umsetzungsmöglichkeiten optimal zu nutzen. Der Einsatz wertvollster Materialien ist hier nicht als Luxus zu verstehen, sondern als Mittel zur Bestimmung.

 

Markus Ehrhard, 1999

 

Betreuung: Prof. Uta Kimling-Greno

 

 

Fotos: Rausch & Fröhlich

 

Models: Alexandra Kara, Isabel Schmitt, Melina Rosenbaum

 

Sponsor der Stoffe: ESCADA

 

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