Das London-Interview zur Ausstellung "Vision and Virtuosity" von Tiffany

AC: Markus Ehrhard, London an einem Tag. Wie geht es Ihnen?

ME: Nachdem mein Mann und ich um 4hoo früh aufgestanden, nach Luxembourg zum Flughafen und von dort zum London City Airport und Abends wieder diese Route zurück nach Trier sind, war ich nach 21 Stunden dann doch erschöpft...aber auch euphorisch, weil es so aufregend und bewegend war.

 

AC: Welchen Schmuck trägt man zu einer Tiffany Ausstellung?

ME: Auf Modenschauen gilt ja, dass man natürlich die Bekleidung des Labels trägt, sprich man geht nicht in Chanel auf eine Dior-Schau. Ich bin leider nicht im Besitz eines Schmuckstücks von Tiffany, aber mein Mann hat in der Vergangenheit diverse Geschenke von mir in der türkisfarbenen Box erhalten. Und so habe ich einen tropfenförmigen Gelbquarz getragen, den mein Vater geschliffen hat.

 

AC: Auf den Punkt gebracht, wie würden Sie mit einem Satz die "Vision and Virtuosity" Ausstellung von Tiffany beschreiben?

ME: Tiffany zeigt sich immer State of the Art und eröffnet mit dieser Ausstellung ein neues Konzept eines Erlebnisses, so dass es kein Besuch, sondern eine Erfahrung war.

 

AC: Was war alles neu an diesem Konzept?

ME: Es begann zunächst einmal damit, dass man sich eine eigene App auf sein Smartphone laden musste, über die man sein Datum und Uhrzeit buchen konnte. Beim Eintritt wurden wir von äußerst freundlichen Repräsentanten namentlich begrüßt und sehr charmant auf die Möglichkeiten der Ausstellung hingewiesen, wie wir mittels der App zum Beispiel nun auch einen Audioguide, auf Deutsch, abspielen konnten. Es war soviel neu, besonders die interaktiven Möglichkeiten, wie zum Beispiel eine kleine Liebeserklärung auf einem Bildschirm zu formulieren, die dann auf einer Wand projiziert wurde und sich plätschernd auflöste. Oder die Möglichkeit, auch wieder über diese App, ein Selfie zu machen und man bekommt das Collier mit dem Tiffany Diamanten animiert in das Foto gesetzt. Aber auch die Präsentation war ausgeklügelt, die Beleuchtung war äußerst raffiniert und zudem die wunderbaren Gestaltungen der Vitrinen. Ich habe so ein Konzept noch nie gesehen, oder besser gesagt erlebt, denn es war eine visuelle und sehr emotionale Erfahrung.

 

AC: Wie haben Sie sich auf diese Ausstellung vorbereitet?
ME: Eine Woche vor dem Termin wurde man wieder von Tiffany angeschrieben, an den Termin erinnert und man bot den Service an, sollte man ein Anliegen oder einen speziellen Wunsch haben, man diesen äußern kann. Gesagt, getan, ich habe kurz meine Geschichte erzählt und angefragt...aber das erzähle ich gleich.

 

AC: Gab es auch ein "Frühstück bei Tiffany"?

ME: Nein, wir hatten zuvor in der Kings Road gefrühstückt. Viel zu fett und viel zu teuer...aber was sag ich, London halt. Aber in der Ausstellung gab es einen eigenen Raum mit dem originalen schwarzen Kleid das Hubert de Givenchy für Audrey Hepburn zum Film fertigte. Dann waren zwei Oscars zu sehen und auch das originale Drehbuch des Film-Klassikers. Witzig auch, dass dieser Raum wie ein Filmset des New Yorker Stammhauses in der East 57th Street gestaltet war. Man durfte übrigens überall Fotos und Videos aufnehmen. Und dieser Raum bot da ganz eine besondere Kulisse.

 

AC: Was waren weitere Highlights?

ME: Gute Frage, ich hatte von Raum zu Raum den Eindruck, besser geht es nicht und es kam noch beeindruckender. Eingangs wurde man ja schon mit diesen wunderschönen Broschen von Jean Schlumberger und Donald Clavlin begrüßt. Auch bin ich ja großer Verehrer von Elsa Peretti und die Ausstellung zeigt eine wundervolle Collage mit originalen Zeichnungen, Fotos und den Knochenarmreifen. Dass Liza Minelli und Pat Cleveland welche tragen wusste ich, aber dass auch Grace Jones welche trägt, war mir neu. Auch beeindruckend fand ich diesen langen Korridor, einem Urwald gleich und komplett im typischen Tiffany-Türkis gehalten. Lediglich vier runde Vitrinen zeigten je einen Solitär-Ring. So viel Aufwand für einen Verlobungsring, das fand ich schon sehr cool! Auch gab es danach die Möglichkeit einem Goldschmied bei seiner Arbeit zuzuschauen und dann auch einen Diamantring anzuprobieren. Aber da intervenierte Frank, denn er kennt meine sich spontan entwickelnde Kauflaune nur zu gut. Äußerst beeindruckend auch ein komplett schwarzer Raum zum Thema Diamanten - Wunder der Natur. Dort habe ich den Tiffany Empire Diamanten bewundern können. Und ich dachte, dass dieses Collier, das anlässlich der Weltausstellung in New York 1939 im Art Déco Stil neu gefertigt wurde, nun mit diesem ovalen 80karäter das schönste Collier ist, dass ich je gesehen habe...aber dann kamen wir in den letzten Raum der Ausstellung in dem nur der Tiffany in einer Vitrine schwebend gezeigt wurde. Und ich musste meine zuvor gebildete Meinung revidieren, denn dieses Collier mit diesem ikonischen Diamanten ist von unbeschreiblicher Schönheit und einmaliger Perfektion.

 

AC: Ihr Großvater Emil Juchem hatte bereits in den 1950er-Jahren Reproduktionen des Tiffany Diamanten geschliffen?

ME: Genau. Mein Großvater hatte mit dem Idar-Obersteiner Edelsteinhändler Georg O. Wild die ersten Sets mit 12, 21 und der klassischen Zusammenstellung von 31 Reproduktionen historischer Diamanten in Bergkristall geschliffen. Anfang 1960 besuchte dann, laut Angaben des Sohnes, der Autor Klaus Eberhard Wild, ein Mr. Platt Idar-Oberstein und kaufte diese ersten Sammlungen.

 

AC: Und konnten Sie auf der Ausstellung in London in Erfahrung bringen, wer nun dieser Mr. Platt war?

ME: In der allersten Vitrine wurde die Brosche "Bird on a Rock", die Jean Schlumberger entworfen hatte, und 1995 auch den Tiffany Diamanten hielt, mit einem grün-blauen Lagoon-Turmalin gezeigt. Und in der zweiten Vitrine die Blumenbrosche mit einem 47 karätigen Tansanit. Im Audioguide habe ich dann erfahren, dass dieser Tansanit 1967 von Mr. Platt am Fuße des Kilimandscharo erworben wurde. Und Mr. Charles B. Platt war der Ur-Urenkel von Charles Lewis Tiffany und zu dieser Zeit der Vice President von Tiffany & Co.. Also hoher Besuch damals in Idar-Oberstein.

 

AC: Welchen Bezug sehen Sie nun zu Mr. Platt?

ME: Ich fragte mich immer wieder in meinen Recherchen zum Buch, wie es sein kann, dass unsere Reproduktion des Tiffany so akkurat ist. Die Rückseite des Diamanten ist ähnlich einer Knickpyramide geschliffen, und diese Ansicht war noch nie auf einem mir bekannten Foto zu sehen oder zu erkennen. Ich halte diesen Nachschliff für einen der Besten und Authentischsten in der Juchem-Ehrhard Sammlung. Und das war nun die logische Erklärung, dass mein Großvater von der höchsten Stelle bei Tiffany direkt die genauen Angaben und Seitenansichten zur Anfertigung erhalten hatte und Mr. Platt dann alle diese Sets, die den Tiffany zeigten, auch gekauft hat. Ich habe bei der Gelegenheit übrigens die Anfrage gestellt, ob noch eine Anfertigung meines Großvaters im Bestand von Tiffany ist.

 

AC: Was macht Sie so sicher, dass Ihre Reproduktion so gut ist?

ME: Ganz einfach: Weil ich in der Ausstellung die einmalige Möglichkeit hatte meine Reproduktion direkt mit dem Original zu vergleichen!

 

AC: Wollen Sie etwa sagen, dass Sie Ihren Stein dabei hatten und standen damit an der Vitrine?

ME: Ja, genau! Ich habe natürlich gefragt bzw. meinen Wunsch bereits im Vorfeld formuliert. Und ich muss sagen, dass das ein unvergessliches Erlebnis war. Ich sprach dann einen der Sicherheitsleute im Raum an und dieser nuschelte die Worte "Security...we need more people from Tiffany here!" in sein Headset. Ich hörte schon Handschellen klicken, Frank schien auch plötzlich verschwunden. Und es kamen dann verantwortliche Mitarbeiter von Tiffany, denen ich kurz meine Geschichte erzählte und natürlich auch mein Buch und bereits erschienene Zeitungsartikel überreichte. Man war sofort sehr interessiert, denn man legt bei Tiffany größten Wert auf die Firmengeschichte und Hintergründe. Und so durfte ich ganz exklusiv meinen Stein mit dem originalen Tiffany vergleichen. Ich war sehr nervös und zitterte als ich meinen Gelbquarz auf die Kalette über das Collier auf die Glasplatte stellen wollte. Und Lori, eine der verantwortlichen Kuratorinnen, meinte zu mir: "Take your time, this is your moment!". Man hielt die anderen Besucher aus dem Raum fern, schloss sogar die Türen, so dass ich ein paar Minuten alleine an der Vitrine hatte. Leider kommt es auf den Fotos nicht zur Geltung, da mein Stein ja nicht so perfekt ausgeleuchtet ist. Aber Größe, Form und besonders die Farbe ist nahezu identisch. Speziell die Farbe der beiden Steine ist absolut identisch, ein warmes Kanariengelb mit einer leichten Grüntönung.

 

AC: Wie ging es Ihnen in diesem Moment?

ME: Ich war fürchterlich aufgeregt und auch extrem Stolz. Ich wollte, dass meine Eltern, die ja auch sehr in unsere Sammlung involviert sind, diesen Moment miterleben. Mein Großvater wäre wohl in Ohnmacht gefallen. Für mich war es ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis.

 

Fotos mit Inhalten von www.tiffany.com

 

AC: Wie haben Sie dann noch den weiteren Tag verbracht?

ME: Aktuell ist eine Ausstellung in der Gallery des Buckingham Palace in der das Delhi Durbar Collier mit dem Cullinan 7, die Vladimir Tiara und die George 5th Krone gezeigt wird. Aber dies Ausstellung ist Mittwochs geschlossen. Im Hinblick auf meinen nächsten Vortrag am 20.09.2022 zum Thema der "Britischen Kronjuwelen" im Stadtmuseum Simeonstift wäre das sicher sehr interessant anzuschauen. Wir sind dann zu Fuß die Mall hoch zum Trafalger Square und sind in die National Gallery. Dort haben wir eine kleine und sehr spannende Ausstellung gesehen. Und zwar hat man zwei Frauenportraits von Ingres und Picasso nebeneinander gestellt. Ein tolles neues Konzept. Abschließend dann auf ein Pint im The Marquis in Covent Garden und dann ging es auch schon mit dem Taxi zurück zum City Airport. Die Bahn streikte an diesem Tag. Aber das kenne ich von London, jeden Tag ist immer irgendetwas und man muss neu organisieren.

 

 

AC: Haben Sie auch Philip Treacy in London treffen können?

ME: Wir stehen zwar in Kontakt, aber an diesem Tag fand er, wie ich, leider keine Zeit. Aber man ist ja nicht aus der Welt.

Das Interview führte Andreas Christ

Fotos: Markus Ehrhard